
Talkshow-Gesabber – und keine Zeit für Antworten
Politische Eliten reden gerne – und sie reden viel. Ist ja auch ihr Job. Aber sie neigen dazu, sehr wohl zu selektieren, wo sie sich äußern, mit wem sie sprechen – und mit wem nicht.
Viele von ihnen gehen beispielsweise sehr gerne in Talkshows. Dort können sie reden, reden, reden … und ihre Thesen – sind sie auch noch so abstrus – einem breiten Publikum vorstellen. Die meisten von ihnen bringen gar ihre eigenen Klatscher mit ins Studio, sodass der Applaus am Ende eines Statements garantiert ist – egal, wie hohl die eine oder andere Phrase auch sein mag. Der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye spricht in diesem Zusammenhang von einer „Talkshowritis“ und meint:
Wer da hingeht, kann eine Stunde als Plaudertasche dasitzen, ohne dass er wirklich zur Sache etwas sagen muss.
Er hält Talkshows für eine gute Gelegenheit, …
… präsent zu sein, ohne Präsenz zu zeigen.
Hinzu kommt, dass unsere Politvertreter bisweilen ihre ausgesprochen unkultivierte Gesprächsführung ausleben können. Passt ihnen eine bestimmte Aussage nicht, faseln sie kurzerhand dazwischen, um das Gegenargument „unhörbar“ zu machen. Überhaupt glänzen Volksvertreter nicht gerade durch soziale Gesprächskompetenz. Ausredenlassen geht oft gar nicht – getreu dem Motto: Wer länger, schriller und lauter kann, hat Recht.
Meinem persönlichen Eindruck nach ist Ursula von der Leyen hier eine Ikone. Sie scheint die „Sportart“ des „Extreme Ins-Wort-Fallings“ bis zur Perfektion zu beherrschen. In Talkshows kann aber nicht nur sie, sondern auch zahlreiche ihrer Kolleginnen und Kollegen „glänzen“. Doch wie sieht es aus, wenn einmal nachgefragt wird, ohne dass das breite Publikum dahintersteht? Dann werden viele von ihnen plötzlich mucksmäuschenstill.
Wenn Redaktionen von sich aus auf die Bürgervertreter zukommen und konkret nachfragen, ist die Redebereitschaft meist weitaus geringer. Die ZDF-Redaktion Frontal21 beispielsweise sieht sich im Jahre 2015, nach etwa 500 Sendungen, genötigt, das Thema einmal näher zu beleuchten. Die Journalisten haben es freilich nicht leicht, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Wenn Politiker ein Mikro sehen, steuern sie gerne darauf zu. Wenn sie jedoch entdecken, dass Frontal21 dahintersteckt, drehen sie gerne wieder ab, verweisen auf einen engen Terminplan und – ja, es ist der immer wiederkehrende Slogan:
Lassen Sie sich einen Termin geben, dann beantworte ich Ihre Fragen.
Und dabei bleibt es dann zumeist, denn ein Termin wird in der Regel nicht vergeben. All die Gabriels, Altmaiers und von der Leyens lassen den Interviewer nicht selten glauben, er erhalte eine Antwort, wenn er denn einen Termin habe, doch dazu kommt es so gut wie nie. Frontal21 erklärt, wie das in der Praxis läuft: Zunächst setzt man sich mit der Pressestelle (z. B. des jeweiligen Ministeriums) in Verbindung. Dort heißt es dann:
Termin? Gerne. Aber schicken Sie uns erst mal Ihre Fragen.
Das macht die Redaktion dann – und bekommt prompt die Info, dass es im Moment ganz schlecht sei. Wenn man Glück hat, wird die eine oder andere Frage schriftlich beantwortet – manchmal lückenhaft, manchmal ausweichend, jedoch fast nie präzise. Oft gibt es gar keine Antwort. Und den gewünschten Termin gibt es auch später nicht. So kommt Frontal21 auf insgesamt 1.375 Absagen. Und dabei ist es eigentlich die Pflicht der Volksvertreter, der Öffentlichkeit und den Medien Auskunft zu erteilen. Aber das ist blanke Theorie.